Zukunft gibt‘s nur mit Junglandwirt:innen

Vor einem Jahr haben eigentlich nur die Jugendverbände daran geglaubt, dass die Arbeit der von der Bundesregierung eingesetzten Zukunftskommission die Landwirtschaft zurück in die Mitte der Gesellschaft katapultieren könnte. Vorschusslorbeeren gab es nicht. Und doch ist dem 31-köpfigen Gremium aus Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbraucher:innenschutz die Quadratur des Kreises gelungen. Trotz gegensätzlicher Interessen liegt nunmehr ein Abschlussbericht vor, der von der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) erarbeitet, einstimmig beschlossen und heute an Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben wurde.
Die Empfehlungen der Kommission drücken deutlicher denn je aus: Es geht nicht um kurzfristige Gewinnperspektiven, sondern um langfristige Zukunftsperspektiven für Junglandwirt:innen. Ebenso klar ist auch, dass nun Gesellschaft und auch Politik zeigen müssen, dass es ihnen mit einer betriebswirtschaftlich geführten Landwirtschaft in Deutschland ernst ist. Sie müssen ihren Teil beitragen, damit die Junglandwirt:innen nicht wieder das Nachsehen haben, sondern das verwirklichen können, was die Kommission im Konsens erarbeitet hat, heißt es beim Bund der Deutschen Landjugend e.V. (BDL), der sich radikal für die Interessen der jungen Agrarier:innen einsetzt.
Deshalb sei es gerade jetzt wichtig, diesen gleichberechtigten Dialog und Ausgleich zwischen den Interessen der Landwirtschaft und der Gesellschaft auch außerhalb der Zukunftskommission fortzusetzen. „Wir haben im letzten halben Jahr echt viel unter extrem hohen Druck geleistet“, so Kathrin Muus: „Jetzt ist es an uns, Forderungen zu stellen und Ergebnisse zu erwarten. Wir werden sehr genau hinschauen, ob nur geredet oder auch angepackt wird.“
„Mit klarem Verstand, Hitze im Herzen und offenem Visier haben wir gestritten für die Zukunft der betriebswirtschaftlichen und faktenbasierten Landwirtschaft. Wir haben gekämpft für langfristig angelegte Planungssicherheit, für herausgehobene Förderung von Junglandwirten und Junglandwirtinnen, für den Erhalt und die Verbesserung der agrarischen Bildung, für die ökonomische Unterstützung von Auszubildenden, für Hofübergaben, die nicht vom guten Willen des Abgebenden abhängen, und nicht zuletzt für das Klima auf unserem gemeinsamen Planeten, das in großem Maße die Zukunft unserer jungen Landwirt:innen und deren Familien betreffen wird…“
Sie weiß, dass nicht allen gefallen wird, was sie erreicht haben. Muss es auch nicht, wichtig sind ihr und dem BDL die Junglandwirt:innen. Die Empfehlungen der ZKL spiegeln wider, dass sich Kampf und Engagement nicht gegeneinander, sondern konstruktiv nach vorn orientieren müssen. Nichts symbolisiert das besser als das gemeinsame Zukunftsbild von BUND- und Landjugend, das nicht nur beispielhaft für den notwendigen Verständigungsprozess zwischen Landwirtschaft und Umwelt und eine konstruktive Streitkultur steht, sondern auch Ziele und Wege zur Umsetzung konkret benennt.
„Diese Zukunftsvision verbindet die Bedürfnisse von jungen landwirtschaftlichen Erzeuger:innen und Verbraucher:innen, von Natur, Umwelt und kommenden Generationen weltweit. Was die Gesellschaft und der Staat möchten, müssen sie auch anerkennen und entlohnen. Deshalb sollen ihr zufolge Landwirt:innen breite gesellschaftliche Anerkennung inklusive finanzieller Entlohnung erhalten, wenn sie gesellschaftliche und ökologische Verantwortung übernehmen. Wenn es nun gelingt, Politik und Gesellschaft in dieses Boot zu holen, dann kann die Landwirtschaft in Zukunft zum Erhalt der Biodiversität beitragen und positiv auf unser Klima wirken…“, heißt es in der Kurzfassung des heute veröffentlichten Berichts der Zukunftskommission Landwirtschaft.
Da ist aber auch die Empfehlung, die Hofübergabe gesellschaftlich und politisch zu unterstützen und Junglandwirt:innen einen bevorzugten Zugang zu Grund und Boden zu ermöglichen. Denn landwirtschaftlichen Betriebe sind selbst wertvolle Ressourcen und müssen deshalb frühzeitig und verbindlich übergeben werden, und nicht erst, wenn eine riesige Investitionslücke klafft und das perspektivische Einkommensniveau unter dem für eine wirtschaftlich nachhaltige Weiterentwicklung der Höfe erforderlichen Niveau liegt. Ein erster guter Schritt ist dabei die pauschale Junglandwirt:innenförderung (je Hektar), die nicht den föderalen Ungleichheiten unterworfen sein darf, heißt es im BDL. Darüber hinaus hat die ZKL ein ganzes Bündel an betriebswirtschaftlichen Unterstützungshilfen für Junglandwirt:innen empfohlen, u.a. ein dreijähriges staatlich gefördertes Coaching für den Hofeinstieg.
Das ist nah an der BDL-Forderung, den gesamten Hofübergabe- bzw. Einstiegs-Prozess von der Finanzierung bis zu Investitionen, von der Betriebsausrichtung bis zur Betriebsfeldanalyse, von der Öffentlichkeitsarbeit bis zur Produktion… zu begleiten und zu fördern. „Um nachhaltig Wirkung zu erzielen, muss die Angebots- und Unterstützungsstruktur auch auf staatlicher Seite bei Bund und den Ländern verbessert werden“, ergänzt die BDL-Bundesvorsitzende Kathrin Muus knapp.
Neben vielen Herausforderungen hat die ZKL auf Betreiben der Jugendverbände auch die Aus- und Weiterbildung in den Fokus genommen und von einem Randthema in den Mittelpunkt der Entwicklung von Landwirtschaft gestellt. „ Wir brauchen bildungshungrige junge Menschen. Bildung muss mehr zu Leidenschaft und Innovationsfreude führen, wie das zum Beispiel beim Berufswettbewerb der deutschen Landjugend der Fall ist. Wenn wir das erreichen, ist die Landwirtschaft auf einem guten Weg in die Zukunft“, sagt Kathrin Muus. Sie weist darauf hin, dass der Bildungsbereich genau wie der Berufswettbewerb deutlich mehr Fürsprache und Unterstützung in Politik, Agrarwirtschaft und Verwaltung brauchen und zukünftig nicht mehr das letzte Rad am Wagen sein dürfen. Bildung sei nun einmal eine genauso wichtige Ressource für die Zukunftsfähigkeit der Branche wie Boden oder Technik, so die junge Frau.
Die ZKL-Empfehlungen zielen auf eine Landwirtschaft der Zukunft, zu der weiterhin sowohl regionale als auch internationale Wertschöpfungsketten gehören, die den Landwirt:innen ein ausreichendes und stabiles Einkommen sichern. D. h. Arbeit muss fair entlohnt, familienfreundlich und gesellschaftlich anerkannt werden. Für ihre Produkte sollen sie Preise erhalten, mit denen Betriebe geführt werden und die Kosten für zusätzliche gesellschaftliche Umwelt-, Klima- und Tierschutz-Leistungen aus EU-Mitteln bestritten werden können. Denn bei allem bleiben Junglandwirt:innen Unternehmer:innen. Sie pflegen nicht nur Kulturlandschaften, sondern tragen zur Ernährungssicherung in unserem Land bei und treffen ihre betrieblichen Entscheidungen selbst.
„Es steht viel auf dem Spiel. Uns ist klar, dass die notwendigen Veränderungen unseres Agrar- und Ernährungssystems Anstrengung, Zeit, Geld und viel guten Willen kosten und gerade den Landwirt:innen viel abverlangen“, gibt die BDL-Bundesvorsitzende zu. Doch sie weiß: „Es lohnt sich. Wir müssen den Anpassungsprozess jetzt angehen, denn das Zeitfenster zur Veränderung steht nicht ewig offen.“
Politik und Gesellschaft, Handel, Verbände und Wissenschaft können diese Chance, die sich durch die Zukunftskommission Landwirtschaft jetzt bietet, ergreifen und Nägel mit Köpfen machen: bei kommenden Koalitionsvereinbarungen, Gesetzgebungen, Förderprogrammen und Gesellschaftsverträgen. Getreu dem Motto der Landjugendverbände geht es darum, nicht lange zu schnacken, sondern anzupacken und das Land zu bewegen, heißt es beim BDL.
„Wir brauchen zum einen mehr von dieser konstruktiven Streitkultur, die die ZKL geprägt hat und die das Miteinander von Umweltschutz und Landwirtschaft unterstützt. Zum anderen müssen die Empfehlungen der Kommission ins nächste Regierungsprogramm“, so Kathrin Muus. Allen sei klar: Die jetzige Bundesregierung kann nichts mehr umsetzen. „Umso wichtiger ist, dass alle gemeinsam dafür sorgen, dass die nächste Bundesregierung sich um die Realisierung der ZKL-Vorschläge kümmert. Dann nämlich gibt es eine verlässliche Zukunft für die Landwirtschaft“, ist die Vorsitzende der größten deutschen Junglandwirt:innen-Organisation überzeugt.