Zur Landwirtschaft im Koalitionsvertrag

„Die Ampel hat genau das gemacht, wovor wir gewarnt haben. Sie hat sich zu umwelt- und agrarpolitischer Rosinenpickerei in den Ergebnissen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) verleiten lassen und nicht das große Ganze in Betracht gezogen“, stellt Kathrin Muus fest. Die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend e.V. (BDL) fragt sich, ob die Parteien der neuen Bundesregierung die Empfehlungen der Zukunftskommission nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollten.
Dass gerade eine Dreier-Koalition den gesellschaftlichen Konsens übergeht – der von einer Vielzahl widerstreitenden Parteien hart erarbeitet wurde – löst bei der Landjugend nur Kopfschütteln aus. Gerade die Ampel müsste doch aus ihren Verhandlungserfahrungen wissen, wie wertvoll ein solcher Kompromiss von Umwelt- und Tierschutz, Handel und Verbraucherverbänden, Wissenschaft und Landwirtschaft ist, den sie jetzt mit ihrer Nichtachtung aufs Spiel setzen, heißt es im BDL.
Für ihn steht fest: Umweltverbände und Landwirtschaft haben ihre Hausaufgaben gemacht. Warum sich die neue Regierung nun ohne Not agrarpolitisch in die Defensive begibt, ist dem Jugendverband unverständlich. Gerade weil der Koalitionsvertrag aus Landjugendsicht agrarpolitisch hinter den ZKL-Empfehlungen „Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ zurückbleibt.
„Für uns werden die ZKL-Ergebnisse damit eine Art Prüfinstanz – der Maßstab, an dem wir die agrarpolitische Arbeit der neuen Bundesregierung messen werden“, sagt die BDL-Bundesvorsitzende. Aus Landjugendsicht geben die Koalitionäre den Jugendverbänden, aber auch den Umwelt- und Bauernverbänden damit indirekt die Aufgabe, die Ergebnisse der ZKL präsent zu halten und weiter auf Umsetzung zu drängen. Ein Auftrag, den der BDL annimmt und ankündigt, diesen hartnäckig, aber konstruktiv zu verfolgen – um die Zukunft der Landwirtschaft für Junglandwirte und Junglandwirtinnen zu gestalten.
Darum ist es dem BDL wichtig, was SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP unter „ökonomisch tragfähig“ verstehen. Denn im Koalitionsvertrag ist als Ziel eine nachhaltige, zukunftsfähige Landwirtschaft beschrieben, „in der die Bäuerinnen und Bauern ökonomisch tragfähig wirtschaften können und die Umwelt, Tieren und Klima gerecht wird.“ Werden sie von ihrer Arbeit gerade so leben können? Oder ist ein attraktives Einkommen für künftige Landwirtschaftsgenerationen damit gemeint? „Das macht für junge Unternehmer und Unternehmerinnen den Unterschied“, stellt Kathrin Muus klar – einen Unterschied, den auch die Zukunftskommission gemacht hat.
Da braucht die junge Generation Planungssicherheit. Ein Begriff, der im Koalitionsvertrag im Zusammenhang mit der Landwirtschaft kaum auftaucht, obwohl er elementar für die Landwirt:innen ist. Er klingt zumindest im Bereich Nutztierhaltung an, mit verbindlicher Tierhaltungskennzeichnung und artgerechtem Umbau, der durch die Marktteilnehmer finanziert werden soll. Wie das funktionieren kann und warum hier nicht die Vorschläge der Borchert-Kommission einbezogen wurden, fragt sich nicht nur der BDL. Die Zukunftskommission hatte an dieser Stelle u.a. einen sozial verträglichen Umbau empfohlen, damit z.B. Fleisch für alle erschwinglich bleiben kann. Ob das der Koalition aus dem Blick geraten ist?
Wichtig für die junge Generation ist und bleibt auch der Zugang zu Boden. Darum fordert der BDL auch ein Vorkaufsrecht für Junglandwirt:innen und einen Stopp des Flächenfraßes. Schon im vergangenen Jahr hätte der Flächenverbrauch für Siedlungen und Verkehr auf unter 30 Hektar pro Tag verringert werden sollen, jetzt soll der bis 2030 erreicht werden. „Kein großer, ein realistischer Wurf. Schließlich ist und bleibt Boden der wichtigste Produktionsfaktor in der Landwirtschaft und muss uns erhalten bleiben. Gerade weil die Flächenkonkurrenz wächst“, sagt die BDL-Bundesvorsitzende.
Denn zeitgleich will die Koalition den ökologischen Landbau voranbringen, der wegen teils geringerer Produktivität mehr Fläche benötigt, um die gleiche Menge Nahrungsmittel zu erzeugen. Zudem sollen die Erneuerbaren Energien im großen Stil ausgebaut werden, für die ebenfalls weitere Flächen benötigt werden… „Wichtig wäre es gewesen, im Koalitionsvertrag zumindest Aussagen zu außerlandwirtschaftlichen Investoren zu treffen“, reißt Kathrin Muus das Problem an.
Erstaunt ist sie über die angekündigte Erfassung und Senkung des „ wirkstoff- und anwendungs-bezogenen Antibiotikaeinsatzes in landwirtschaftlichen Betrieben“, der dort längst dokumentiert wird. Die Vorschriften sind streng. Der Verbrauch ist kontinuierlich gesunken. „Aber es muss doch weiterhin erlaubt sein, kranke Tiere mit Antibiotika zu behandeln. Auch das ist Tierschutz!“
Zugleich lobt die BDL-Vorsitzende den Weg, den die neue Regierung beim Wolf gehen will. Es sei gut, dass man hier ins Gespräch kommen und über aktives Bestandsmanagement reden will. Denn Wolfsmanagement darf sich nicht zwischen Stadt und Land, Landwirtschaft und Naturschutz zerreiben lassen, sondern muss ideologiefrei und wissenschaftlich fundiert betrieben werden. Für die Zukunft der Weidetierhaltung und tierwohlgerechter Außenklimaställe ist es ein gutes Zeichen, wenn die Wolfsbestände künftig regional differenziert reguliert werden können.
Es gibt noch viele Zielkonflikte, die von der neuen Regierung ausgeräumt werden müssen. Aber eins steht für den BDL fest: Die Agrarpolitik der Ampelkoalition wird von ihm an den Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft gemessen. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.
Die BDL-Bewertung des Koalitionsvertrages aus Sicht von Jugendpolitik und Regionalentwicklung folgt in den nächsten Tagen.