Bauerntag: Agrarproteste – Wirkung und Zukunft
„Agrarproteste? Nur für eine Schlagzeile gut?“ Das Motto des Junglandwirt:innen-Treffs überzeugte. Vom Berufsnachwuchs, der den Deutschen Bauerntag in Cottbus besuchte, fehlte kaum jemand. Trotz früher Stunde waren sie alle zur gemeinsamen Veranstaltung des Bundes der Deutschen Landjugend (BDL) mit dem Deutschen Bauernverband (DBV) gekommen, um mit Verbandsführung, SPIEGEL-Redakteurin, agrarheute-Chef und untereinander zu diskutieren.
Mit einem kurzen Update zu den Protesten im Winter 2023/24 brachte Simon Michel-Berger alle auf den gleichen Stand. Der agrarheute-Chefredakteur machte dabei sehr deutlich, dass die Abschaffung der Agrardieselvergünstigung nur der letzte Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Enttäuschung und der Ärger der Landwirt:innen, der sich bei den Demonstrationen entlud, seien vor allem das Ergebnis jahrelang verfehlter und uneinheitlicher Agrarpolitik. Das habe zu dem Gefühl geführt, der grüne Beruf sei den politischen Verantwortlichen nicht wichtig.
Agrarproteste als Weckruf
„Die Proteste haben eine breite gesellschaftliche Unterstützung gefunden“, betonte Maria Marquart vom SPIEGEL. Emotionen wurden erzeugt, die Bevölkerung berührt. „Menschen aus verschiedenen Berufsfeldern haben sich mit den Landwirt:innen solidarisiert“, so die Journalistin. Das habe viele bewegt. Zum ersten Mal hätte sich jemand wirklich für den Alltag auf einem landwirtschaftlichen Betrieb interessiert, endlich wollte man wissen, was Bauern und Bäuerinnen denken und bewegt. Und auf einmal standen drei Viertel des Saals. Die BDL-Bundesvorsitzende Theresa Schmidt hatte die Junglandwirt:innen gebeten, sich zu erheben, wenn sie selbst im Zuge der Agrarproteste von Medien angefragt worden waren.
Als es darum ging, wer im Publikum soziale Medien auch für die Kommunikation nach außen benutzt, hatten deutlich weniger die Hand ausgestreckt. Das müsse sich auf jeden Fall ändern. Laut SPIEGEL-Redakteurin nehmen wenige Gestalten viel Raum im Netz ein, so dass ein verzerrtes Bild entstehe, das mit der Realität in der Landwirtschaft nur wenig zu tun habe.
Zusammenhänge erklären
„Die Gesellschaft will schnell und präzise informiert werden. Auch wenn Landwirtschaft komplex ist, müssen wir mit einfachen Begriffen die Zusammenhänge erklären“, so Michel-Berger von agrarheute. Provokanten Schlagzeilen mit irreführenden Botschaften könne man nur etwas entgegensetzen, wenn man selbst aktiv werde. Für den BDL und die Junglandwirt:innen ist das nicht neu. Aber die Einblicke der Journalisten zeigen sehr eindrücklich warum sie auch digital nach außen aktiver werden müssen, um ein realitätsnahes Bild ihrer Arbeit zu vermitteln.
Das Gleiche gelte für die Verbandsarbeit, betonte DBV-Vizepräsident Holger Hennies. Wenn die Bevölkerung die Proteste nur auf den Agrardiesel beziehe, sei das ein Beispiel dafür, dass landwirtschaftliche Verbände in der Vergangenheit nicht klar genug nach außen kommuniziert haben. Der DBV-Vize unterstrich die Bedeutung einer langfristigen und lösungsorientierten Kommunikation.
Kontinuierlich im Gespräch bleiben
„Lange Proteste bringen nur begrenzte politische Erfolge. Das weiß die junge Generation im BDL. Wir Junglandwirtinnen und Junglandwirte müssen kontinuierlich im Gespräch bleiben – mit der Politik, den Medien und der Gesellschaft und dafür gut geeignete Kommunikationskanäle nutzen“, so die BDL-Bundesvorsitzende Theresa Schmidt in der Diskussion.
Aber auch Medien an sich müssen ihre Rolle nuanciert ausfüllen und Hintergründe immer verständlich machen, um tiefgründiges Verständnis zu erwecken. „Konkret würde es heißen, ein bestimmtes Gesetz oder eine bestimmte Auflage als Beispiel zu nehmen und aufzuzeigen, was es für den eigenen Betrieb bedeutet. Nur so kann ein wahres, authentisches Bild des landwirtschaftlichen Alltags und des Zwiespalts zwischen politischen und sozialen Anforderungen und Realität aufgezeigt werden“, so Hennies.
„Wer nur meckert, den möchte keiner hören“
In der von Dr. Andreas Quiring, Geschäftsführer der Andreas Hermes Akademie, moderierten Diskussion wird deutlich, dass es nicht ausreicht, nur problemorientiert zu kommunizieren. Wichtig sind lösungsorientierte Vorschläge. „Wer nur meckert, den will keiner hören“, so die SPIEGEL-Journalistin.
Dennoch verstehen das mit Marquardt, Michel-Berger, Schmidt und Hennies besetzte Podium und der Berufsnachwuchs die Agrarproteste im Winter 2023/2024 im Großen und Ganzen als Erfolg: Die Landwirtschaft hat es für mehrere Wochen in die Medien und in jeden Haushalt geschafft! Für die Wahrnehmung der Branche ein großer Fortschritt. Politisch sind die Erfolge eher bescheidener. Die Grüne Plakette bleibt, die Agrardiesel-Unterstützung wird stufenweise und nicht auf einen Schlag abgeschafft. Aber das Agrarentlastungspaket hält nicht, was die Bundesregierung nach den Protesten versprochen hat.
Fazit: Offene Türen und Zusammenhalt nutzen
„Durch die Agrarproteste ist der Zusammenhalt der Branche gewachsen und die Gesellschaft offener geworden. Unsere Energie und dieses Momentum müssen wir nutzen, um das gesellschaftliche Interesse aufrechtzuerhalten, um konstruktiv und gemeinsam an den Herausforderungen zu arbeiten“, fasste der BDL-Vorsitzende Lars Ruschmeyer die Diskussion zusammen. Das Interesse der Bevölkerung an der Landwirtschaft dürfe nicht wieder verloren gehen. Es sei an der Zeit, dass besonders Junglandwirtinnen und Junglandwirte ihren gesellschaftlichen Wert aufzeigen, ihre Kommunikation verbessern und ihre Anliegen klar und verständlich vermitteln.
Nur so könne die Landwirtschaft in der öffentlichen Wahrnehmung dauerhaft positiv verankert und Zukunftssicherheit für die Landwirtschaft erreicht werden, ergänzte seine Amtskollegin Theresa Schmidt: „Wir müssen zeigen, was die Gesellschaft davon hat, dass wir 80 Prozent der deutschen Fläche verdammt gut bewirtschaften!“
Projekt Junglandwirt:innen: Gegründet, um jungen Landwirtinnen und Landwirten eine Plattform zu bieten, ist das BDL-Projekt ein Dauerbrenner. Denn es geht um Meinungs- und Erfahrungsaustausch, neue Kontakte zu Gleichgesinnten und Impulse für die Arbeit vor Ort – kurz: um die Stärkung des jungen Berufsstandes. Unterstützt wird das Projekt von der Landwirtschaftlichen Rentenbank.