Weinbau braucht Zukunft, keine Pflaster

Weingärten mit blühenden Streifen unter einem blauen Himmel mit weißen Cumuluswolken. Die Landschaft zeigt die Schönheit der Landwirtschaft in einer ländlich...

„Der Weinbau steckt in der größten Krise seit Jahrzehnten. Und die Politik schaut zu“, sagt Maike Delp. Die stellvertretende Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend (BDL) warnt: „Ohne ernsthafte Bemühungen zur Lösung der Absatzkrise im Weinbau steuern wir auf einen Kollaps zu.“ Die wirtschaftliche Lage sei besorgniserregend.

Die Stimmung ist nicht nur beim Nachwuchs der Branche im Keller. Die Ursachen für die Absatzkrise sind vielseitig: Zum einen sinkt der Weinkonsum in Deutschland kontinuierlich. Zugleich ist die ausländische Konkurrenz groß und der deutsche Weinmarkt heiß umkämpft. „Wir stecken in einem Teufelskreis aus sinkendem Konsum und steigenden Kosten, während wesentlich günstiger produzierter Wein aus dem Ausland unseren Markt überschwemmt“, so die BDL-Jungwinzerin.

Volle Keller und leere Gläser

Am Beispiel des Fassweins rechnet sie vor, dass die Kosten seit Kriegsbeginn in der Ukraine um mehr als 30 Prozent gestiegen sind. Gleichzeitig werden Preise erzielt, die auf dem Niveau von vor 20 Jahren liegen. Auch Umwelteinflüsse tragen zur Krise bei: Wetterextreme wie Spätfrostschäden führen zu Ernteausfällen und Produktionsrückgängen. Eine Fülle an Herausforderungen, die es nahezu unmöglich macht, kostendeckend zu wirtschaften.

Zudem sind die Weinbestände in Deutschland hoch, viele Keller noch voll. Es fehlt an Platz für den neuen Jahrgang. Hinzu kommt die stetige Zunahme der Rebflächen, die in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) verankert ist. Im Jahr 2024 waren es 309 Hektar mehr, davon gut zwei Drittel im Anbaugebiet Rheinhessen. „Gleichzeitig wird der Ruf nach Krisenmaßnahmen wie Blühbrache, Rodungsprämien oder Krisendestillation immer lauter. Das passt aus unserer Sicht nicht zusammen und hilft auf lange Sicht wenig“, so Maike Delp.

Nachhaltige Lösungen statt kurzfristiger Maßnahmen

Angesichts dieser Herausforderungen fordert die größte deutsche Jungwinzer:innen-Organisation entschlossenes Handeln von der Bundesregierung und der Europäischen Union. Die stellv. BDL-Vorsitzende sagt: „Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) muss die Vorschläge der Weinbranche endlich ernst nehmen. Frankreich zeigt, dass es möglich ist, die Absatzkrise auch mit nationalen Mittel zu bewältigen. Wir dürfen nicht weiter nur zusehen, wie unser Weinmarkt ertrinkt, während andere Länder ihre Winzer retten.“

Aus Landjugend-Sicht kann die EU-Krisendestillation, bei der überschüssige Weinmengen zu Industriealkohol verarbeitet werden, bestenfalls als Notbremse dienen. Langfristig müssen strukturelle Lösungen gefunden werden. „Wir brauchen Maßnahmen, die uns aus diesem Teufelskreis befreien, statt Pflaster, die das Problem kurzfristig überdecken“, so die Jungwinzerin.

Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die „High-Level Group Wein“, zu der die Europäische Kommission erstmals im September geladen hat, um Lösungen für die Probleme der europäischen Weinwirtschaft zu finden.

Der Berufsnachwuchs verlangt, dass die EU sich mit Themen wie der Rotationsbrache und einem möglichen Anbaustopp auseinandersetzt, um die Überproduktion zu reduzieren. Zusätzlich müssen die kleinen Betriebe unterstützt werden, damit sie nicht durch zusätzliche Maßnahmen in ihrer Wirtschaftlichkeit gefährdet werden. „Eine Herabsetzung der Pauschalierung wäre der Dolchstoß für viele kleine Betriebe, die ohnehin schon ums Überleben kämpfen“, BDL-Vize Delp: „Wir brauchen echte Unterstützung, keine zusätzlichen Belastungen.“

Die Zukunft der Branche steht auf dem Spiel

Die Absatzkrise bedroht nicht nur die wirtschaftliche Existenz vieler Weinbaubetriebe, sondern auch die Zukunft der nachfolgenden Generationen. Notwendige Investitionen bleiben aus. Immer mehr Weingüter geben auf. „Wenn wir so weitermachen, steuern wir auf einen schleichenden Tod der Weinbaukultur zu“, warnt Delp. In Württemberg wird damit gerechnet, dass in den nächsten fünf Jahren bis zu 20 Prozent der Rebfläche verloren gehen könnte. Besonders betroffen seien die aufwendig zu bewirtschaftenden Steil- und Steilstlagen, die ein Paradies für Biodiversität darstellen.

„Es ist höchste Zeit, dass Politik und Weinbau gemeinsam an nachhaltigen Lösungen arbeiten“, sagt Maike Delp. Die Jungwinzer:innen im BDL steuern gern Erfahrungen und Expertise bei. Doch es brauche Unterstützung auf allen Ebenen, um den Weinbau in Deutschland wieder auf Kurs zu bringen.

29. Juli 2024

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